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Für Numismatiker, Sammler und Händler

20.04.2011

Berliner Kunst- und Münzhandel unterm Hakenkreuz

Obwohl die Kunst der Moderne in der Zeit des Nationalsozialismus als "entartet" auf dem Index stand und ihre Vertreter mit Berufsverbot belegt und verfolgt wurden, ließ sich mit derart verunglimpften Bildern, Skulpturen und anderen Kunstwerken wunderbar verdienen. Die bis zum 31. Juli 2011 in der Neuen Synagoge Centrum Judaicum vom Aktiven Museum gezeigte Ausstellung "Gute Geschäfte" dokumentiert die Schattenseiten des Kulturbetriebs und Kunsthandels unterm Hakenkreuz. Vor Hitlers "Machtergreifung" gab es in Berlin eine florierende Kunsthandelsszene, ja die Reichshauptstadt war, was zeitgenössische Kunst betraf, eine internationale Drehscheibe. Die Ausstellung zeigt am Beispiel von 14 Kunsthandlungen, wie die NS-Führung nach 1933 auf diese Branche Einfluss nahm und deren jüdische Vertreter zur Aufgabe ihrer Galerien zwang. Wer Glück hatte, ging unter Zurücklassung seiner Bestände ins Ausland. Andere nahmen sich, die Deportation in die Vernichtungslager vor Augen, das Leben oder wurden dort ermordet. Es gab aber auch Kunsthändler, die vom Schicksal ihrer verfemten Kollegen und ganz allgemein von der Judenverfolgung profitierten. Die Ausstellung zeigt, wie das ging und wer, die Mitgliedschaft in einer entsprechenden Berufsorganisation vorausgesetzt, dem Fiskus erhebliche Summen in Reichsmark sowie Devisen durch den Verkauf von Kunstwerken und anderen Objekten verschaffte. Dargestellt werden darüber hinaus Verdrängungsprozesse in der Berliner Kunstszene, von denen einige den Nazis dienstbare Händler durch die Versteigerung privater Sammlungen und ganzer Wohnungseinrichtungen "aus nichtarischem Besitz" profitierten, so die damalige Wortwahl.

Nicht in der Ausstellung, dafür aber im Begleitbuch wird dargelegt, dass auch Berliner Münzhändler von den "Marktveränderungen" betroffen war, wie Berichterstatter Patrick Golenia zu Beginn seines Beitrags schreibt. Im Unterschied zu Gemälden und Skulpturen gebe es bei Grafiken sowie Münzen und Medaillen Schwierigkeiten bei der Wiedererkennung. Daher habe die Provenienzforschung, mit der sich der Verfasser beschäftigt, den Münzen und Medaillen wenig Aufmerksamkeit geschenkt. Außerhalb der numismatischen Fachwelt habe dieses Thema bislang nicht im Fokus einer Untersuchung gestanden. In dem Aufsatz wird an vier Berliner Münzhändler und Münzhandlungen erinnert, und zwar Erich Rappaport (1877-1943), Felix Schlessinger (1879-?), Johanna Grünthal von der Firma Robert Ball Nachf. (Lebensdaten nicht bekannt) und Waldemar Wruck (1902-1971). Der Verfasser erinnert daran, dass sich im Kaiserreich in Berlin diverse Münzhändler etabliert hatten, "die ihre Geschäfte erfolgreich bis zum Erliegen des Marktes im Zweiten Weltkrieg führten". Positiv hätten sich die Nähe zum Münzkabinett, aber auch die Zusammenarbeit mit der 1843 gegründeten Berliner Numismatischen Gesellschaft ausgewirkt. Während des Nationalsozialismus mussten zahlreiche Mitglieder aufgrund der Nürnberger Rassengesetze aus dem Verein austreten. Erich Rappaport unterstrich im Oktober 1935 in seiner Austrittserklärung, das geschehe "nicht ganz freiwillig, sondern weil ich glaube, der jetzigen Zeitströmung Rechnung tragen zu müssen".

Über die Schilderung des Schicksals der genannten Münzhändler und Firmen hinaus wäre es wünschenswert zu erfahren, ob zwischen 1933 und 1945 unsere großen Kabinette und Museen von der Ausplünderung jüdischer Münzsammler und -händler profitiert haben und woher die aus "Reichsbesitz" stammenden Münzen und Medaillen stammen, die bis in die Kriegszeit hinein versteigert wurden, und wer sie bekam. In entsprechenden Zugangsbüchern müssten sich noch Hinweise finden lassen. Da Münzen und Medaillen in der Regel Serienartikel darstellen, die keine konkreten Aussagen über ihre Besitzer zulassen, wird man nur ausnahmsweise und wenn es sich um besondere, in der Fachliteratur beschriebene und abgebildete Raritäten handelt einen solchen Nachweis führen können. Um das Andenken an die verfolgten und ermordeten Vorbesitzer zu ehren, wäre eine solche Mühe sehr zu wünschen. Wie aus dem Bundesfinanzministerium verlautet, soll analog zum Auswärtigen Amt die Geschichte der nationalsozialistischen Finanzverwaltung aufgearbeitet und dargestellt werden. Die Machenschaften im Bereich des Kunsthandels und der Nutzen, den der Staat, aber auch Museen und Sammler von der Plünderung jüdischer Galerien und Sammlungen hatten, werden darin eine nicht unerhebliche Rolle spielen und spielen müssen. Um welche Objekte und Beträge es sich handelte, schildern die Ausstellung und das Buch dazu.

Der Vollständigkeit halber sei festgehalten, dass die Königlichen und ab 1918 Staatlichen Museen zu Berlin und mit ihnen auch das Münzkabinett viele wertvolle Objekte dem jüdischen Unternehmer und Kunstfreund James Simon (1851-1932) verdanken. Nach der Errichtung der NS-Diktatur wurde das Andenken an Simon gelöscht, und Hinweise auf seine Schenkungen und andere Aktivitäten waren unerwünscht. Indem das gerade im Bau befindliche neue Eingangsgebäude auf der Museumsinsel und ein kleiner Park in der Nähe nach dem Mäzen und Menschenfreund benannt werden, tragen die Stiftung Preußischer Kulturbesitz und ihre Museen eine Ehrenschuld an ihm ab und bringen einen ihrer großen Förderer ins öffentliche Bewusstsein zurück.

Die Dokumentation "Gute Geschäfte - Kunsthandel in Berlin 1933-1945" ist in der Stiftung Neue Synagoge Berlin - Centrum Judaicum, Oranienburger Straße 28-30, 10117 Berlin am Sonntag und Montag von 10 bis 20 Uhr, Dienstag bis Donnerstag von 10-18 Uhr, am Freitag von 10 bis 17 Uhr geöffnet. Helmut Caspar