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Für Numismatiker, Sammler und Händler

15.11.2004

Große Gefahr für den deutschen Münzenhandel

Ratifizierung und Umsetzung der Unesco-Konvention von 1970 mit unabsehbar schädlichen Folgen

Die Bundesregierung bereitet die Ratifizierung der Unesco-Konvention von 1970 über das Verbot und die Verhütung der rechtswidrigen Einfuhr, Ausfuhr und Übereignung von Kulturgut und ihre Umsetzung in deutsches Recht noch in dieser Legislaturperiode, also bis 2006, vor. Im Vorfeld lud der Deutsche Kunsthandelsverband e. V. am 9. November 2004 zu einem Symposium in das Deutsche Historische Museum Berlin ein. Im Namen des Verbands der Deutschen Münzenhändler und in Absprache mit dem Präsidenten Stefan Sonntag nahm Helmut Caspar an der Aussprache teil. Zur Debatte stand die Frage, wie sich die Ratifizierung und die Umsetzung der Unesco-Konvention in deutsches Recht auf den Kunst-, Antiquitäten- und Münzhandel auswirken werden.
Die Bundesregierung, vertreten durch Ministerialdirigent Burkart Beilfuß, dem Leiter der Projektgruppe UNESCO 70 bei der Beauftragten der Bundesregierung für Kultur und Medien, erklärte, daß das Ratifizierungsgesetz derzeit vom Auswärtigen Amt im Einvernehmen mit dem Bundesjustizministerium vorbereitet wird. Für die Umsetzung in deutsches Recht sei die Beauftragte der Bundesregierung für Kultur und Medien zuständig. Für die Ratifizierung sei die Zustimmung aller 16 deutschen Bundesländer im Rahmen des Lindauer Abkommens notwendig, dem Umsetzungsgesetz müsse der Bundesrat zustimmen.

Erhebliche Definitionsprobleme
Mehrere Redner erläuterten, ausgehend von historischen Betrachtungen über Kunstraub, Kulturgutschutz usw. national und international sowie aus juristischer Sicht die Vorteile der Konvention und legten dar, warum es so lange gedauert hat, daß sie erst jetzt, 34 Jahre nach ihrer Unterzeichnung auch durch die Bundesrepublik Deutschland, in deutsches Recht übergeführt und dann angewendet werden soll, zwar nicht rückwirkend, sondern vom Zeitpunkt der Übernahme an. Nicht zur Diskussion stand die Frage, warum sich Deutschland überhaupt mit dem Thema befaßt. Ist es tatsächlich diese unselige Formulierung über Kulturschutz in der Koalitionsvereinbarung von SPD und den Grünen, nach der "kulturelle Güter öffentliche Güter sind, die für alle zugänglich sein müssen" oder geht es um mehr? Diese Frage wurde nicht beantwortet, aber es ist unabweisbar, daß hier existentielle Dinge abgesprochen sind, weshalb der VddM auch vehement Einspruch einlegt.

Das Symposium ergab keine Klarheit darüber, was unter Kulturgut oder gar besonders schützenswertem Kulturgut zu verstehen ist. Die Definition ist sehr schwierig und wird je nach Interessenlage unterschiedlich gehandhabt. Dargelegt wurden von verschiedenen Rednern die Vorteile und Schwachpunkte und was zu tun ist, um bei einer etwaigen Ratifizierung Schaden vom Handel, den Museen und anderen Betroffenen abzuwenden. Staatssekretär a. D. Dr. Diethardt von Preuschen, der für den durch parlamentarische Termine verhinderten Bundestagsabgeordneten Hans-Joachim Otto an dem Symposium teilnahm, machte darauf aufmerksam, daß die Unesco-Konvention 1970 von der alten Bundesregierung abgelehnt wurde und daß die FDP ihren Widerstand gegen diese seines Erachtens unwirksame und schädliche Regelung auch in der Zwischenzeit nicht aufgegeben habe. Der deutsche Kunsthandelsverband stellt sich im Prinzip hinter das Vorhaben der Bundesregierung. Er tritt "für eine marktverträgliche Regelung in Deutschland" ein und sieht in den Vorschlägen der Bundesregierung auch keine sonderlichen zusätzlichen Belastungen durch die Umsetzung der Konvention auf sich zukommen.

Spannbreite der Meinungen
Auch Beilfuß ist dieser Meinung. Er erwartet, wie schon einmal in einer Pressekonferenz zum gleichen Thema am 6. Juni 2004 in Berlin erläutert, keine Nachteile für den Kunst- und Antiquitätenhandel und behauptete auf der Tagung, der zu erwartende bürokratische Aufwand halte sich in Grenzen und sei zu schaffen, zumal ja Informationen über An- und Verkauf von numismatischen Objekten "auch so" für das Finanzamt angefertigt und bereit gehalten werden müssen. Daß künftig in ganz anderen Quantitäten Dokumentationen angefertigt werden und 30 Jahre lang aufbewahrt werden müssen und auch die üblichen Auktionskataloge und Lagerlisten nicht mehr ausreichen, war nur wenigen Tagungsteilnehmern bekannt.
Beilfuß zufolge habe man in der Bundesregierung sehr wohl die Spannbreite der Meinungen zu der Konvention registriert. Sie reiche von verhaltener Zustimmung etwa beim Kunst- und Antiquitätenhandel bis zur strikten Ablehnung vor allem im Münzhandel und bei den Archäologen, wenn auch aus unterschiedlichen Gründen. Der Verband der deutschen Münzenhändler hatte am 27. September 2004 in Bonn die Gelegenheit, in einer Anhörung bei Ministerialdirektor Beilfuß seine Bedenken und seine Ablehnung vorzubringen.

Riesiger bürokratischer Aufwand
Helmut Caspar hat den Standpunkt des Münzhandels auf dem Symposium in Berlin noch einmal bekräftigt. Die Ablehnung bestehe zu Recht, denn der deutsche Münzhandel sehe sehr wohl erhebliche Nachteile und Einschränkungen auf sich zukommen und befürchte, daß sich unter diesen Umständen ein grauer oder ein Schwarzmarkt bildet, der keinem dient. Es bestehe die Gefahr, daß der Handel durch Übernahme der Konvention kriminalisiert wird. Es gebe keine Veranlassung, die Konvention in deutsches Recht zu übernehmen, und es könne nicht sein, daß die Bundesrepublik aus außenpolitischen Erwägungen und um sich in der Welt als "Musterschüler" aufzuspielen die Zerschlagung bzw. Gefährdung des deutschen Münzhandels in Kauf nimmt. Die Auswirkungen auch auf das Museumswesen wären bei Übernahme der Konvention nicht abzusehen. Deren Umsetzung in nationales Recht habe bereits in der Schweiz zur Vernichtung beziehungsweise Abwanderung von namhaften Firmen des Münzenhandels geführt; gleiches sei unter diesen Umständen auch in Deutschland zu befürchten. Schon allein die 30jährige Aufbewahrungspflicht von detaillierten Unterlagen über das Woher und Wohin von Münzen und Medaillen und die damit verbundene Recherche bedeute einen zusätzlichen riesigen bürokratischen Aufwand, den die meist sehr kleinen bzw. mittelständischen Münzhandelsfirmen nicht schaffen, weshalb auch gegen diese Auflagen Protest eingelegt wird. Im Übrigen sei nicht einzusehen, warum serienweise hergestellte Münzen, von einigen herausragenden Stücken abgesehen, besonders schützenswertes Kulturgut sein sollen. Außerdem müsse gefragt werden, wer darüber befindet, wer welche Objekte kategorisiert und was von numismatischen Objekten von der Konvention erfaßt wird und was nicht. Sollen etwa die Münzkabinette als Schiedsrichter und Gutachter fungieren, wo sie doch mit eigenen Aufgaben voll ausgelastet, ja überlastet sind? Und außerdem - wer übernimmt die zusätzlichen Kosten? Schließlich sei nicht von der Hand zu weisen, daß es bereits einen ominösen grauen Markt gibt, der keine Echtheitsgarantien abgibt wie der Münzhandel und auch keine fairen Preise kennt. Wenn die Konvention kommen sollte, seien weitere schlimme Entwicklungen dieser Art zu befürchten, und es würde genau das eintreten, was unsere Wirtschaftspolitik vermeiden will, nämlich die Gefährdung bzw. Vernichtung von Arbeitsplätzen und der Rückgang von Steuern.

Beilfuß wies die Einwände moderat, aber entschieden zurück. Als Kulturgut kämen bekanntlich nur Objekte infrage, die älter als 100 Jahre sind, was vom Vertreter des VddM als viel zu pauschal und undifferenziert zurückgewiesen wurde. Nach dieser Sicht wären "Friedrich der Weise" auf dem Dreimarkstück von 1917 kein Kulturgut, aber "Friedrich der Große" auf einem Taler von 1786 automatisch ein solches. Das sei geradezu absurd. Nach Meinung der Bundesregierung reichen die gegenwärtigen Usancen zur Aufzeichnung der Herkunft und Weitergabe von Münzen etc. nicht aus, daher sei eine genaue Beschreibung und Abbildung der Objekte sowie ihre Speicherung für 30 Jahre nötig. In der Regel würden Kataloge und Preislisten ausreichen, so Beilfuß. Man solle die Pflicht dazu aber nicht überspannen. Da es bei den Münzen und Medaillen nur um "bedeutendes Kulturgut" geht, sei der zusätzliche Aufwand für den Handel "sehr bescheiden". Zu diesem und anderen strittigen Punkten sei eine Verordnung zu erwarten, in die die Meinungen und Erfahrungen der Beteiligten einfließen sollen.

Die Bundesregierung sei, so Beilfuß, an einem Ausgleich der Interessen, an einem "Mittelweg" interessiert, keineswegs daran, dem Handel, und damit meinte er auch den Münzhandel, Schwierigkeiten zu bereiten und neue bürokratische Hindernisse aufzutürmen. Auf der anderen Seite müsse der Handel aber die Aufzeichnungspflicht für "bedeutendes Kulturgut" akzeptieren. Befürchtungen des deutschen Münzhandels seien unbegründet, und im Übrigen seien die Gewerbeaufsichtsämter seine Ansprechpartner. Die Frage von Caspar nach der numismatischen Kompetenz der dort beschäftigten Personen wurde von Beilfuß dahingehend beantwortet, und zwar ganz unbefriedigend, dort seien "gute deutsche Beamte" beschäftigt.

Letztes Wort schon gesprochen?
Über die Übernahme der Unesco-Konvention in deutsches Recht scheint das letzte Wort noch nicht gesprochen zu sein. Der Verband der deutschen Münzenhändler wird alles unternehmen, um die Öffentlichkeit und die Politiker über die Gefahren für Sammler, Museen und Handel bei der Umsetzung der Konvention in deutsches Recht aufzuklären. Das Berliner Symposium vermittelte den Eindruck, daß sich die Bundesregierung den wohlbegründeten Argumenten nicht kategorisch verschließen will. Es wird Zeit, daß sich die Sammlerverbände und die Deutsche Numismatische Gesellschaft dieses brisanten Themas annehmen. Es muß gehandelt werden, denn die Zeit bis zur Übernahme der Unesco-Konvention in deutsches Recht ist nicht sehr lang. Helmut Caspar