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01.10.2012

Kraftzehrende Arbeit am Amboss

Gadebuscher Bronzemann setzt mecklenburgischer Münzgeschichte ein eindrucksvolles Denkmal

Nach der "Erfindung" des Talers Ende des 15. Jahrhunderts im silberreichen Tirol war es nur eine Frage der Zeit, dass diese großen und schweren Stücke auch im norddeutschen Raum geprägt wurden. Benannt nach den massenhaft im böhmischen Sankt Joachimsthal geprägten Silbermünzen im Gewicht von etwa 28 Gramm und einem ungewohnt großen Durchmesser von rund 40 Millimetern, bildeten die Taler ein ideales Medium auch für fürstliche Repräsentation. Sie boten so viel Platz, dass man auf ihnen gut sichtbar Porträts, Heiligenbilder, Wappenschilder, Stadtansichten und lange Inschriften unterbringen konnte.
In der mecklenburgischen Kleinstadt Gadebusch südwestlich von Wismar kann man neuerdings zuschauen, wie ein kräftig gebauter Münzarbeiter solche Geldstücke hergestellt hat. Die von dem Bildhauer Wolfgang Knorr geschaffene Bronzeskulptur rechts neben dem Rathausportal erinnert daran, dass Gadebusch, eine der ältesten Städte des heutigen Bundeslandes Mecklenburg-Vorpommern, auf eine lange, ins 13. Jahrhundert zurückreichende Münzgeschichte blickt. Die Münzknechte bedienten sich einer urtümlichen Prägeweise, bei der die auf dem gravierten Unterstempel liegende Ronde, auch Schrötling genannt, durch kräftige Hiebe auf den mit der linken Hand festgehaltenen Oberstempel in eine Münze verwandelt wurde. Hilfsgeräte in Form von Spindelpressen, Klippwerken und Walzen waren eine Errungenschaft der Barockzeit, und wie eine solche Spindelpresse aussieht, kann man sehr schön in den Arkaden des Güstrower Schlosses und an Reliefs am Berliner Martin-Gropius-Bau, einem früheren Kunstgewerbemuseum, und an anderen Orten sehen.
Wie eine Tafel neben der Bronzefigur erläutert, erhielt Gadebusch anno 1226 von Herzog Borwin I. das Stadtrecht und dazu auch das Münzrecht. Zunächst hat man bescheidene Silberlinge mit dem Stierkopf geschlagen. Nachdem 1257 die Münze nach Wismar verlagert worden war, "ruhte" der Hammer in Gadebusch über dreihundert Jahre. Erst Herzog Albrecht VII. belebte die alte Tradition und richtete 1542 am alten Ort eine neue Geldfabrik ein. In den nachfolgenden 82 Jahren wurden in Gadebusch Goldgulden und Taler sowie Talerteilstücke geschlagen. Um welche Werte es sich handelt, hat Michael Kunzel in seinem 1994 im Gebr. Mann Verlag Berlin erschienenen Buch "Das Münzwesen Mecklenburgs von 1492 bis 1872 - Münzgeschichte und Geprägekatalog" ausführlich beschrieben und mit vielen Bildern belegt.
Erster Münzmeister in Gadebusch war Bernhart Jungelingk. Er brachte den von ihm gepachteten Betrieb in Schwung, besorgte das zur Geldherstellung nötige Edelmetall, stellte die seltenen, bei Sammlern begehrten Salvatortaler von 1542 und die Taler von 1543 mit dem Bildnis seines herzoglichen Arbeitgebers sowie Gulden, Halbtaler, Halb- und Viertelgulden, Doppelschillinge und kleinere Werte her. In den nächsten Jahrzehnten gingen zahllose Geldstücke aus Gadebusch in die Welt, wie die von Kunzel mitgeteilten Statistiken zeigen. Unter wenig glücklichen Umständen wurde die Anstalt 1624 geschlossen, im sechsten Jahr des Dreißigjährigen Kriegs. Wie damals üblich, nahmen es letzte Münzmeister Christian Emerich und seine Leute mit der Rechnungslegung über Ein- und Ausgaben sowie über die verwendeten Metalle und weitere ökonomische Angelegenheiten wohl nicht sehr genau, und so wurde Emerich in einen Falschmünzerprozess verwickelt, kam in Haft, verlor sein Vermögen und musste zusehen, wie seine kinderreiche Familie verarmte. Nur mit Mühe gelang es ihm, die Anschuldigungen zu entkräften, doch ein Comeback an anderer Stelle als Münzmeister war ihm in Mecklenburg, das 1628 bis 1631 unter der Herrschaft des kaiserlichen Generalissimus Albrecht von Wallenstein stand und Münzen mit seinem Bildnis und Wappen hervor brachte, nicht mehr vergönnt.
Wolfgang Knorr hat seinem nackten Bronzeriesen Flügel an der Schulter und den Füßen verpasst und damit aus ihm einen Hermes beziehungsweise Merkur gemacht, den antiken Schutzherrn der Vieherden, Wege und Wanderer, des Marktes und des Glücks. Der Bildhauer beschreibt sein Werk als Sinnbild für den Grenzbereich von Abheben, Abstürzen und als "Gleichnis für gelebte Balance". Wer ganz dicht an die Figur herantritt, erkennt auf der runden Fußplatte eine Auswahl von Gadebuscher Geldstücken. Die Vorlagen aus dem Münzkabinett des Staatlichen Museums Schwerin wurden der guten Erkennbarkeit halber um etwa 40 Prozent vergrößert. Wer weiter nach Rostock fährt, lernt im Schatten der mächtigen Marienkirche ein interessantes Relief aus dem frühen 17. Jahrhundert kenne, auf dem ein Münzarbeiter, am Amboss sitzend, mit einem schweren Hammer auf den Oberstempel schlägt. Dass das eine sehr gefährliche und zudem auch ungenaue Arbeit war, muss man sich beim Anblick dieses schönen Hauszeichens am Gebäude der ehemaligen Rostocker Münze hinzu denken. Helmut Caspar