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10.04.2012

Skelette, Waffen, Silberschätze

Schlacht von Wittstock 1636 im Brandenburger Paulikloster dokumentiert

Den Dreißigjährigen Krieg (1618-1648) kennen wir nur aus Schulbüchern. Was auf den Schlachtfeldern und in den Feldlagern wirklich geschah, wie die Söldner aus aller Herren Länder angeworben wurden und wie sie ihren Lebensunterhalt bestritten haben, wer ihre Kommandeure waren und wie man mit Hieb- und Stichwaffen, mit Musketen und Kanonen aufeinander zuging, entzieht sich weitgehend unserer Kenntnis. Licht ins Dunkel bringt eine geradezu sensationell zu nennende Ausstellung des Brandenburgischen Landesmuseums am Beispiel der Schlacht von Wittstock am 4. Oktober 1636. Die bis zum 9. September 2012 im Paulikloster an der Heidestraße in Brandenburg an der Havel laufende Ausstellung "1636 - ihre letzte Schlacht" breitet Ergebnisse umfangreicher Ausgrabungen auf dem Schlachtfeld bei Wittstock im nordwestlichen Bundesland Brandenburg aus und zeigt eine Auswahl der Fundstücke. In jener Schlacht gingen 16 000 Schweden auf 22 000 kaiserliche und sächsische Soldaten los. Den siegreichen Schweden gelang es, dem gegnerischen Heer Kanonen, Waffen und eine Kriegskasse abzujagen. Auf dem Schlachtfeld blieben etwa 6000 Tote zurück.
Vor fünf Jahren stießen Bauarbeiter in einer Kiesgrube bei Wittstock auf ein Massengrab mit 125 Toten. Archäologen, Anthropologen, Historiker und andere Experten haben die in Europa einzigartige Fundstelle systematisch untersucht und festgestellt, woher die Gefallenen stammten und wie sie ums Leben kamen. Bevor man im Herbst 1636 die Leichen in die Grube warf, wurden sie nach Wertgegenständen abgesucht. Das war üblich, denn die Überlebenden brauchten solche Beute, weil ihr Sold dürftig war und oft nicht ausgezahlt wurde. Pietät konnte sich in diesem brutalen Überlebenskampf keiner leisten, auch wenn Bilder und Erzählungen von damals vom "edlen Kriegshandwerk" und vom "Sterben auf dem Feld der Ehre" fabulieren und dies bis heute tun. Wenn die Überlebenden die Kleider ihrer Kameraden und der Gegner aufrissen, flogen Knöpfe und Schallen beiseite, und viele Gegenstände wurden übersehen. Ein christliches Begräbnis wurde den Gefallenen des "Treffens von Wittstock" nicht zuteil, wie das Gemetzel in zeitgenössischen Berichten beschrieben wurde.
Die Schädel und Skelette mit Spuren furchtbarer Verletzungen und von schmerzhaften, durch Hunger und Infektionen verursachten Krankheiten, aber auch persönliche Habseligkeiten sowie Stiche, Gemälde, Aufzeichnungen, Waffen, Munition und selbst das bescheidene Handwerkszeug von Feldärzten vermitteln ein detailliertes Bild vom Soldatenalltag, dem Kampfgeschehen und den Gräueln auf dem Land und unter den Stadtbewohnern in jenem bis dahin schrecklichsten aller Kriege. Die Ausstellung zeigt, dass die Lebenserwartung einfacher Soldaten wegen schlechter Versorgung und ärztlicher Betreuung entschieden geringer war als die der Offiziere und Generale, die es sich selbst in schwierigster Lage noch gut gehen ließen.
Selbstverständlich spielte geprägtes Geld zur Bezahlung der Offiziere und Soldaten, aber auch für ihre Versorgung, Kleidung und Bewaffnung eine große Rolle. Die Plünderung der Toten war so gründlich, dass nur wenige Münzen bei ihnen gefunden wurden. Dennoch zeigt die Ausstellung am Beispiel von bedeutenden Münzeschätze, was man im Brandenburgischen während des Dreißigjährigen Kriegs, aber auch davor und danach dem Boden anvertraut oder in Häusern eingemauert hat, um es vor marodierenden Soldaten zu bewahren und sich Kontributionsforderungen zu entziehen. Das Paulikloster bietet in der Sonderausstellung "1636 - ihre letzte Schlacht" sowie in weiteren Räumen eine Fülle von solchen Hinterlassenschaften. Ausgestellt ist das bei Bau- und Feldarbeiten entdeckte Vermögen von Städtern und Bauern. In Töpfen und Kriegen hat man guthaltige Prager und andere Groschen, aber auch Kippergeld aus den Anfangsjahren des Dreißigjährigen Kriegs sowie sorgsam über Generationen zusammengesparte Taler und in Einzelfällen auch Goldmünzen aufbewahrt. Doch wenn die Besatzer abgezogen waren, wurden diese Schätze oft nicht mehr gehoben, weil ihre Besitzer nicht mehr lebten und die Familien ausgerottet waren. So hängen an jeder Münze, an jedem ebenfalls beiseite gelegten Silberlöffel oder Schmuckstück menschliche Schicksale. Das Brandenburger Paulikloster ist Dienstag bis Sonntag von 10 bis 17 Uhr geöffnet, der Eintrittspreis kostet 8 und ermäßigt 6 Euro. Das vom Archäologischen Landesmuseum Brandenburg herausgegebene Buch "1636 - ihre letzte Schlacht" erschien im Konrad Theiss Verlag Stuttgart, hat 205 Seiten, ist reich illustriert und kostet 18 Euro. Helmut Caspar