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17.09.2014

"So muss denn das Schwert entscheiden"

Berliner Ausstellung dokumentiert Propaganda und Schrecken des Ersten Weltkriegs

Am Beginn des Ersten Weltkriegs zogen Millionen Soldaten begeistert ins Feld, um ihr Leben für Gott, Kaiser, Volk und Vaterland im Kampf gegen eine Welt von Feinden zu opfern, wie es damals hieß. "Mitten im Frieden überfällt uns der Feind. Darum auf! zu den Waffen! Jedes Schwanken, jedes Zögern wäre Verrat am Vaterlande. Um Sein oder Nichtsein unseres Reiches handelt es sich, das unsere Väter neu sich gründeten. Um Sein oder Nichtsein deutscher Macht und deutschen Wesens. [...] So muss denn das Schwert entscheiden", ließ Kaiser Wilhelm II. am 6. August 1914 seine Untertanen wissen und gab die Parole aus "Ich kenne keine Parteien mehr, kenne nur noch Deutsche".

Die meisten Deutschen gingen ihrem Kaiser und Oberbefehlshaber und all den vielen Kriegstreibern auf den Leim, und sie ließen sich von der Propaganda blenden, in deren Dienst sich auch zahlreiche Medaillenkünstler und Prägeanstalten stellten. Auch auf der anderen Seite des Kriegsschauplatzes hatte man die Vorstellung, jetzt sei die lang ersehnte Gelegenheit gekommen, es den "verdammten Deutschen" und ihren Verbündeten richtig zu zeigen. In der aufgeheizten Stimmung vor 100 Jahren wagte kaum jemand, seine Stimme gegen das militärische Abenteuer zu erheben, auf das keiner der kriegführenden Staaten wirklich vorbereitet war, was die Bewaffnung und Versorgung an den Fronten und in der Heimat betrifft. Die Kirche erklärte den Waffengang zu einem heiligen Krieg und ließ das 5. Gebot "Du sollst nicht töten" nicht gelten, weil in den Augen vieler von militaristischer Euphorie beseelter Geistlicher die gegnerische Seite, ganz gleich ob es sich um Soldaten oder um Zivilisten handelt keine Gnade verdient sondern nur den Tod.

Diejenigen, die nach dem 1. August 1914 jubelnd auf die Schlachtfelder zogen, hatten keine Ahnung, wie ein moderner, von wahren Waffenmonstern betriebener Krieg wirklich aussieht. Mitnichten hatte er etwas mit den bunten Propagandapostkarten und blitzendem Metall zu tun, auf denen die "schimmernde Wehr", wie man damals sagte, unter flatternden Fahnen einen Sieg nach dem anderen erringt. Vielmehr war dieser Krieg ein erbarmungsloses Abschlachten, wie man es bisher nicht gekannt hat. Die Erinnerung an den letzten deutschen Krieg, den von 1870/71 gegen Frankreich, war schon lange verblasst. Verblendet und verhetzt verließen sich die Soldaten und ihre Angehörigen auf das Versprechen der Obersten Heeresleitung, der Krieg werde sehr schnell nach der Niederringung der Entente-Staaten beendet sein und die deutschen Truppen seien schon zu Weihnachten 1914 wieder zuhause.

Vom Taumel der ersten Kriegswochen blieb angesichts des elenden Sterbens auf den Kriegsschauplätzen und der großen Hungersnot und der Seuchen in der Heimat nicht viel übrig. Die bis zum 28. Juni 2015 laufende Ausstellung "Der gefühlte Krieg" im Museum Europäischer Kulturen an der Arminallee 25 in Berlin-Dahlem schildert, wie Patriotismus und Monarchenkult einerseits und blinder Nationalismus und Hass auf alles Fremde andererseits instrumentalisiert wurden, um den von Kaiser Wilhelm II. und seinen Heerführern versprochenen "Siegfrieden" unter allen Umständen herbeizuführen. Größtes Schaustück der Dokumentation ist die Nachbildung einer 13 Meter hohen Holzfigur des Generalfeldmarschalls Paul von Hindenburg, der damals als "Sieger von Tannenberg" gegen das russische Heer große Verehrung genoss. Das Original stand vor während des Ersten Weltkriegs vor dem Berliner Reichstagsgebäude, und zahlreiche Menschen haben für einen Obolus Eisennägel in die Holzfigur geschlagen. Solche Heldenbilder standen überall im Deutschen Reich und in Österreich-Ungarn zur Nagelung bereit. Zweck des von der Kirche abgesegneten Rituals war nicht nur, Geld für Kriegsversehrte und Hinterbliebe gefallener Soldaten zu sammeln, sondern auch den Zusammenhalt im Volk zu festigen. Als Belohnung bekam man Medaillen, die man stolz am Revers tragen konnte. Ausgestellt sind ferner Bildpostkarten, auf denen das von Engeln und frommen Sprüchen begleitete Sterben auf dem "Feld der Ehre" heroisiert und geschildert wurde, wie der Kaiser tapfere Soldaten auszeichnet und seine Gemahlin sich liebevoll um Verwundete kümmert. Dass Soldaten auf beiden Seiten qualvoll an Giftgas verreckten, dass sie bei Belagerungen und Sturmangriffen zu Tausenden hingerafft wurden und dass sie, wenn sie denn überlebt hatten, zuhause oftmals grausam verstümmelt ihr Leben fristeten, wird in der Dokumentation ebenfalls gezeigt. Wer die Ausstellung besucht, kann sich in Feldpostbriefe vertiefen, aber auch im "Manifest der 93" nachlesen, wie die geistige Elite im Deutschen Reich die Kriegsgräuel der eigenen Leute in Belgien und anderen Ländern leugnete und den Krieg als "reine Sache" und als Maßnahme zur Verteidigung der deutschen Kultur rechtfertigte. Nur wenige Intellektuelle, darunter Albert Einstein und Wilhelm Förster, begehrten gegen diesen Wahnsinn auf. An ihrem Ende zeigt die Ausstellung, wie nach 1918 Heldenverehrung zelebriert wurde und was ihr wenig Verblendete, allen voran Käthe Kollwitz und Ernst Barlach, entgegengesetzt wurde. Der Begleitband zur Ausstellung erschien im Verlag der Kunst Dresden und kostet 14,95 Euro. Das Museum ist Dienstag bis Freitag von 10 bis 17 Uhr sowie am Wochenende von 11 bis 18 Uhr geöffnet, Eintritt 8 Euro, ermäßigt 4 Euro, Jugendliche unter 18 Jahren haben freien Eintritt. Helmut Caspar